Care Revolution-Netzwerktreffen in Frankfurt/Main (25.-27.04.) – einige Impressionen

Der Verein Solidarisch Sorgen e.V. ist kooperierende Organisation im Netzwerk Care Revolution. Deshalb haben Vereinsmitglieder und Beschäftigte des Vereins am Netzwerktreffen teilgenommen. Matthias Neumann, Mitarbeiter bei Solidarisch Sorgen, teilt in diesem Bericht Eindrücke vom Treffen. Der Beitrag wurde zugleich auf der Website des Netzwerks Care Revolution veröffentlicht.

In den letzten Jahren, seit der Corona-Pandemie, haben wir unsere Netzwerktreffen  online durchgeführt. Das hatte den Vorteil, dass regelmäßig Teilnehmer*innen aus mehr Städten als bei Treffen in Präsenz dabei waren, so dass wir dieses Format zunächst beibehielten. Nach einigen Jahren hatten wir jedoch Entzugserscheinungen, was persönliche Kontakte betrifft, und waren froh, uns im Oktober 2024 beim Jubiläum in Leipzig wieder einmal alle persönlich zu sehen und in den Arm zu nehmen. Während in Leipzig die ersten beiden Tage mit Podiumsdiskussion und vielen Workshops allen Interessierten auch außerhalb des Netzwerks offenstanden, hatten wir uns den dritten Tag genommen, um intern die vielen offenen Fragen zu besprechen, die sich in den Jahren der Zusammenarbeit angesammelt hatten.

Deshalb trafen wir uns am Wochenende des 25. bis 27.04. erneut in Präsenz, aber auch zu einem komplett mitgliederinternen Netzwerktreffen in der Jugendherberge in Frankfurt/Main, um in einer intensiven Klausur über Gremien, den Umgang miteinander, Schwerpunktthemen, Verantwortlichkeiten, also unsere Arbeitsgrundlagen, zu reden. Dieses Mitgliedertreffen wurde in Kooperation mit dem Verein Solidarisch Sorgen ausgerichtet, der auch den Teil der Finanzierung übernahm, der nicht durch Spenden der Teilnehmer*innen abgedeckt werden konnte.

Letzteres versuchen wir als Prinzip unserer Organisierung durchzuhalten: Niemand soll von der Teilnahme aufgrund finanzieller oder anderer Zwänge ausgeschlossen sein. Mit Unterstützung von Solidarisch Sorgen e.V. und durch unterschiedlich hohe Spenden je nach der individuellen Lage der Teilnehmer*innen musste niemand wegen Geldmangel absagen. Care-Aufgaben – kranke Partner*in, Kind – oder die Zwänge der Lohnarbeit hinderten jedoch manche an der Teilnahme, die gerne gekommen wären. Die leidige Abwägung zwischen Präsenz- und Online- Formaten…

Schön war, dass dennoch dreißig Mitglieder, aus fast allen Regionalgruppen, aus Kooperationsorganisationen oder als Einzelne dem Netzwerk angehörig, teilnahmen. Der Tagungsraum unter dem Dach der JH war liebevoll dekoriert, unter anderem mit Transparenten der Regionalgruppe Rhein/Main und einer Dokumentation der Care Revolution-Aktivitäten seit der Gründung des Netzwerks.

Nach der Begrüßung folgten anstrengende drei Tage. Am Freitagabend stellten die Teilnehmer*innen sich und die Gruppen, mit denen sie im Netzwerk sind, der Runde vor. Dies, die Vorstellung einer Umfrage zu Erfahrungen mit der und Wünschen an die Zusammenarbeit im Netzwerk gaben allen erste Eindrücke. Am Samstagvormittag setzten wir dies fort: In wechselnden Kleingruppen wurden Wünsche und Erfahrungen ausgetauscht, mit dem Ziel, ein besseres Verständnis dafür zu erhalten, welche Veränderungen die Einzelnen mit ihren unterschiedlichen Hintergründen sich erhoffen. Es stellte sich, durchaus gewünscht, heraus, dass die Antworten von sehr detaillierten Punkten wie einem sich seltener treffenden Koordinationskreis über Pragmatisches wie zentral erstelltes, von den Netzwerkgruppen nutzbares Material bis zu erst auszufüllenden Wünschen wie einer konsensorientierten, die Bedürfnisse aller respektierenden Kultur reichten.

Am ersten Teil des Nachmittags, mit Fortsetzung am Sonntagvormittag, versuchten wir dann, alle die vielen  Wünsche, soweit möglich, in Verabredungen und Empfehlungen für Beschlüsse zu übersetzen. Das war eine Mammutaufgabe, denn das Netzwerk Care Revolution lebt gerade durch seine Vielfalt. Es gibt Leute mit gewerkschaftlichem Hintergrund ebenso wie in der linken Subkultur Verankerte. Es gibt Gruppen, die ein lokales Sorgezentrum aufbauen wollen, die sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen aussprechen oder die Assistenz für alle Beteiligten bedürfnisgerechter gestalten wollen. Leute mit und ohne Kinder, im Rollstuhl oder zu Fuß unterwegs. Cis-Frauen, Cis-Männer, nicht-binäre Personen. Dazu die verschiedenen politischen Positionen und in einem ereignisreichen Leben erworbenen Eigenheiten…

Ausgesprochen angenehm war aus Sicht des Berichtenden, dass es ganz überwiegend den Wunsch gab, dass alle diese verschiedenen Leute das, was ihnen wichtig ist, in den Verabredungen wiederfinden. Wie gut uns das gelungen ist, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn beispielsweise die Arbeitsgruppen anlaufen, in denen der Social Media-Auftritt, die Pflege der Website und die Pressearbeit auf breitere Füße gestellt werden sollen.

Wir hoffen, dass es uns gelingt, mehr Sichtbarkeit des Netzwerks Care Revolution durch klare, überzeugende Positionierung mit Repräsentation der gesamten Breite des Netzwerks zu verbinden. Themen gibt es genug, in denen dringend etwas bewegt werden muss: Schließungen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die Gefahr der Altersarmut und Überlastung für Menschen, die häusliche Sorgeaufgaben übernehmen, oder die Tatsache, dass diese Aufgaben und die Armut nach wie vor wesentlich durch Geschlecht verteilt sind – dies sind nur wenige von vielen Beispielen. Gleiches gilt für die erforderlichen solidarischen Antworten: Umverteilung des privaten Reichtums zur Absicherung aller, Zurückdrängung von Care-Konzernen oder der Aufbau von Care-Commons seien wieder stellvertretend für viele Elemente einer Alternative genannt. Nun setzen wir darauf, dass der Schwung des Netzwerktreffens und die erweiterten Möglichkeiten der Beteiligung auch nach außen sichtbar und spürbar werden. Damit die Aussagen nicht platt und beliebig werden und dennoch das Netzwerk als Ganzes repräsentieren, wollen wir künftig noch viel mehr von- und miteinander lernen und gemeinsame Positionen entwickeln. Auch diese Räume werden wir uns schaffen.

Es ging also viel um den gemeinsamen Rahmen. Jedoch nahmen wir uns am Samstag und Sonntag auch Zeit, um verschiedene Projekte vorzustellen, die alle noch ein wenig Zeit zur Entscheidungsreife brauchen. Ideen zu gesellschaftlicher Lastenverteilung, feministischem Vergesellschaften, ein Kampagnenkonzept zum care-gerechten Umbau der Gesellschaft – all dies erfordert noch Diskussionen und weitere Ausarbeitung. Ihr werdet von den Ideen hören, wenn sie praktisch werden. Eine weitere Beschäftigung erfordert auch das Thema ‚Care und Krieg‘. Hier war absehbar, dass die grundlegenden Differenzen gerade zum Krieg in der Ukraine bestehen bleiben. Dennoch gelang eine bei aller Emotionalität respektvolle Diskussion, die in irgendeiner Form sicher wieder aufgegriffen wird. Unterm Strich sind wir auf jeden Fall an dies em Wochenende unserem Ziel einen kleinen Schritt näher gekommen, mit dem und im Netzwerk zu einer solidarischen, care-zentrierten Gesellschaft beizutragen.